Unglaublich!
Bislang wurde vor allem der Werbung angelastet, mit alternativen Fakten die Wahrheit zu strapazieren. Spätestens seit Donald Trump wissen wir jedoch, dass dies auch in der Politik hervorragend funktioniert. Das Phänomen «Fake News» kann nicht mit der Nazi-Propaganda im zweiten Weltkrieg verglichen werden, denn die USA haben im Gegensatz zu Nazi-Deutschland viele unabhängige Medien und Journalisten, welche die dreisten Lügen aufzudecken vermögen. Ironischerweise sind es aber gerade diese Medien, die mit ihrer Berichterstattung dafür sorgen, dass die Fake-News-Strategie funktioniert.
Mit Halbwahrheiten Aufmerksamkeit zu generieren, diese Taktik ist weder neu, noch einzigartig oder ausschliesslich amerikanisch. Auch in der Schweiz wird zuweilen im Vorfeld von Abstimmungen und Wahlen frei interpretiert und stark vereinfacht. Der Erfolg der populistischen Argumentation ist nachvollziehbar. Unsere Welt ist sehr kompliziert geworden. Wenn da jemand ein einfaches Rezept für komplexe Problemstellungen anbietet, dann sind wir dankbar. Oder am Beispiel der USA: Dass Trump gewählt wurde, ist auch Hillary Clinton anzulasten. Im Gegensatz zu ihrem Kontrahenten gelang es ihr nicht, in der Sprache der Zielgruppe zu kommunizieren. Obama hatte diesbezüglich mehr Fingerspitzengefühl und verdankte seinen Wahlsieg vor acht Jahren unter anderem dem Umstand, dass er nicht nur intelligent, sondern auch einfach und verständlich kommunizierte.
Lügen machen reich!
Fake News sind ein lohnendes Business in Web, denn spektakuläre Nachrichten generieren viele Klicks und viele Klicks werden von den Betreibern entsprechend finanziell belohnt. Das Ganze funktioniert folgendermassen: Irgendwo auf der Welt, zum Beispiel in Bulgarien, wird von Personen, die einen finanziellen Gewinn wittern und denen es völlig egal ist, was sie verbreiten, eine frei erfundene Nachricht in den sozialen Medien publiziert wie zum Beispiel: «Obama unterzeichnet Dekret, um das Verlesen des amerikanischen Treueschwurs in Schulen zu verbieten» (2'176’777 Engagements auf Facebook). Diese Nachricht wird dann (Insbesondere von politischen Gegnern) ein paar tausend Mal geliked und geteilt, bis ein grosses Medium die Nachricht aufgreift und sich der Betroffene zu einem Dementi genötigt sieht. Jetzt wird der Fake-Artikel millionenfach angeklickt. Bis der Artikel verifiziert und gelöscht wird, dauert es Stunden bis Tage. Der Effekt – oder aus Sicht der Betroffenen der Schaden – ist längst passiert.
Noch nie da gewesen!
Noch etwas finde ich an der Kommunikationsstrategie von Mr. President bemerkenswert. In der Ausbildung wurde uns beigebracht, dass ein Inserate- oder Informationsboykott gegenüber missliebigen Medien zum PR-Eigentor werde, denn die geschmähten Medien würden nur umso kritischer berichten. Zu den Kernaufgaben jedes PR-Verantwortlichen gehört es deshalb, Beziehungen zu den Journalisten aufzubauen und sie bei Laune zu halten. Kein Politiker würde sich getrauen, der NZZ das Gespräch zu verweigern. Die vierte Macht im Staat galt bisher als unverzichtbarer Informationskanal zur Bevölkerung. Den neuen Präsidenten der USA kümmert das wenig. Er umgeht den journalistischen Filter und kommuniziert nicht über Pressekonferenzen oder mit umfangreichen Mediendossiers, sondern einzeilig, rasch und direkt via Twitter. Den Medien bleibt dann nichts anderes übrig, als seitenweise darüber zu spekulieren, was Mr. Trump wohl damit gemeint haben könnte oder darzulegen, dass die präsidiale Mitteilung falsch ist. Durch die Berichterstattung wird die Wirkung der Fake-News und Twitter-Nachrichten zusätzlich verstärkt. Das hat im Wahlkampf funktioniert und wird wohl auch weiter funktionieren. Donald Trump hat das klassische mediale Gefüge demontiert. Der jährliche Presse-Ball im Weissen Haus ist eine Belohnung, exklusiv für brave Medien.
Oh je!
Nein, ich will nicht jammern, wie schlimm und ethisch verwerflich diese Fake News sind. Viel lieber versuche ich zu antizipieren, was wir in der Unternehmenskommunikation, das heisst in der Werbung und den Public Relations daraus lernen können. Meine Erkenntnisse sind nicht neu, trotzdem ist es sinnvoll, sich diese wieder einmal bewusst zu machen. Wir müssen, wo immer möglich, direkt mit den Zielgruppen kommunizieren, ohne Filter. Das Internet gibt uns die Möglichkeit dazu. Die Social-Media-Kanäle müssen bewirtschaftet werden! Der Faktor Zeit spielt dabei eine wesentliche Rolle. Die Überwachung und Betreuung der sozialen Medien ist aber kein Nebenjob für die Telefonistin, sondern eine anspruchsvolle und budgetrelevante Kommunikationsaufgabe. Die Inhalte müssen zielgruppengerecht aufbereitet werden. Das heisst mehr Videos, kurze und freche Texte. Die Botschaften müssen einfach, verständlich und unterhaltend verpackt werden, aber ohne dass die Wahrheit allzu sehr strapaziert wird, denn Lügen gefährden langfristig die Glaubwürdigkeit.
Geschichten die das Leben schrieb
Unterhaltsame Begebenheiten muss man nicht erfinden, das Leben schreibt sie täglich für uns. Jeder von uns mag Geschichten, wie die des pummeligen Handy-Verkäufers, der zum Opernstar avanciert. Die Kunst liegt jetzt darin, die Qualität einer solchen Geschichte kurz und leicht verständlich auf einen Artikel über die langfristigen Auswirkungen der abgelehnten Unternehmenssteuerreform auf das Handelsbilanzdefizit anzuwenden. Aber das ist natürlich wesentlich anstrengender, als Fake News zu produzieren.
Fredy Obrecht