Die fantastischen Drei
Kennen Sie den Song «MfG» der Hip-Hop-Band «Die fantastischen Vier»? Falls nicht, empfehle ich Ihnen, mal auf YouTube reinzuhören. Er verdeutlicht auf wunderbar lyrische Weise die Absurdität der 3-Buchstaben-Namen. An BMW, IBM und SBB haben wir uns schon lange gewöhnt und wir wissen, wer oder was sich dahinter verbirgt. Doch was ist mit VSW, WBZ, BZW, ZBW, BWZ, VBL, VSAO oder AEK? Diese Abkürzungen erfreuen sich erstaunlich grosser Beliebtheit, bedenkt man, dass sie weder punkto Aussprache ein Leckerbissen sind, noch Auskunft über die Branchenidentität des jeweiligen Unternehmens geben.
Die Namensfindung ist unbestritten der wichtigste und aufwendigste Schritt in der Gestaltung einer Firmen- oder Markenidentität. Doch die Mühe lohnt sich, denn Fehlentscheide kommen einen teuer zu stehen und sind schwer zu korrigieren. Abkürzungen haben tatsächlich einen Vorteil: sie sind kurz und einfach. Wer kann sich schon merken, dass der Industriekonzern ABB voll ausgeschrieben «Allmänna Svenska Elektriska Aktiebolaget, Brown, Boveri & Cie. AG» heissen würde? Auch IBM ist deutlich einfacher als «International Business Machines Corporation». Viele im Laufe der Zeit gewachsene Firmen und Organisationen haben lange, komplizierte Namen, die nur noch in der Abkürzung auftreten. Aber ist das überall sinnvoll? Sollten wir dann auch unseren Bundesrat Johann Schneider-Ammann einfach JSA nennen? Oder kurz und bündig von JWG sprechen, statt von Johann Wolfgang von Goethe?
Name ist Identität
Seit einigen Jahren versuchen viele Eltern ihren Kindern möglichst eigenständige, unverwechselbare Namen auf den Lebensweg mitzugeben. Die Idee dahinter ist wohl, dass sich der Nachwuchs von der Masse abhebt, damit man sich an sie als Individuen erinnert. Vielleicht nannte die deutsche Punk-Diva Nina Hagen ihre Tochter deshalb Cosma Shiva und nicht einfache Sabine oder Ursula. Wenn Eltern mit dem Wunsch nach maximaler Individualität für ihre Sprösslinge Namen wie Lego oder Sputnik wählen, legt das Standesamt allerdings sein Veto ein – zum Schutz der Kinder. Bei Firmennamen sind es Handelsregisterbehörde und Mitbewerber, die im Zweifelsfall Einspruch erheben. Kreativität bei Unternehmensbenennungen ist erlaubt und gefragt, allerdings dürfen die Namen nicht irreführend sein. Ein lokales Taxiunternehmen kann sich also nicht «International Passenger Service» nennen. Auch die Rechtsform muss erkennbar sein. Wenn man bei der Namenswahl bewusst oder fahrlässig eine Verwechslung mit oder Anlehnung an ein anderes Unternehmen provoziert, sind Schwierigkeiten vorprogrammiert.
Name als Botschaft
Firmen- oder Markennamen beinhalten in der Regel eine Botschaft und erleichtern eine Zuordnung zur Branche. Swissair war ein guter Name, weil er die wichtigsten Elemente der Firmentätigkeit enthielt. Allerdings können allzu generische Namen nicht geschützt werden, denn Begriffe aus der Alltagssprache sind Allgemeingut. Ein Velohändler kann seinen «Bike-Shop» deshalb kaum schützen lassen. Um Kennzeichnungskraft zu erreichen, braucht es eine Neuschöpfung. Eine Bank, die sich «UBS» nennt, muss viel Geld und Zeit investieren, damit aus den drei Buchstaben ein unverwechselbarer Markenname wird. Die meisten kleinen und mittleren Unternehmen, die sogenannten KMU, haben aber weder das eine noch das andere. Die beste Lösung ist, einen aussprechbaren Namen zu wählen wie zum Beispiel «Novartis», «Axpo» oder «Unia», der ganz klar als ganzes Wort und nicht als Buchstabenfolge ausgesprochen wird. Eine weitere Herausforderung in unserem Land ist die Mehrsprachigkeit. Mit vier Landessprachen plus Englisch als Universalsprache sind Schweizer Unternehmen besonders gefordert, sprachneutrale Namen zu suchen.
Harte Arbeit
Die Suche nach einem brauchbaren Firmen- oder Markennamen ist harte Arbeit. Will man alle Kriterien erfüllen, also Branchenzuordnung, Aussprache, Unverwechselbarkeit usw., begibt man sich auf eine lange Erkundungstour mit vielen Rückschlägen. Selbst die Fleissigen kommen zu Beginn kaum vom Fleck, denn eine ganze Liste mit guten Namen kann ohne weiteres zu einem leeren Blatt zusammenschrumpfen, nachdem man die Vorschläge mit dem Handelsregister abgeglichen hat. Die Namenssuche gleicht tatsächlich der mühseligen Suche nach der Nadel im Heuhaufen.
Die grosse Kunst in der Namensfindung ist, den Aufwand im Rahmen zu halten, ohne dass die Kreativität zu kurz kommt. Eine sinnvolle Vorgehensweise wäre folgende:
- Freies Assoziieren: Schreiben Sie alles auf, was Ihnen einfällt.
- Selektieren, verfeinern, kombinieren: Konkretisieren Sie Namen mit Potenzial.
- Internet-Recherche: Bereits mit einer einfachen Google-Suche können Sie Bezeichnungen, die in der gleichen Branche bereits verwendet werden, aufspüren und gleich wieder von der Liste streichen. In der Regel trifft das schon auf 90 Prozent der Namensschöpfungen zu.
- Als Nächstes versuchen Sie den Namen als Internet-URL einzutragen. Auch hier werden Sie frustriert feststellen, dass sogar die absurdesten Wortschöpfungen bereits eingetragen sind.
- Sollte Ihre Liste zu diesem Zeitpunkt tatsächlich noch Namenskreationen aufweisen, steht die Suche nach ähnlichen Firmennamen im Handelsregisteramt an (zefix.ch und regix.ch, letzteres ist kostenpflichtig).
- Nun folgt das gleiche Prozedere im Markenregister (swissreg.ch).
- Wenn danach immer noch etwas auf Ihrer Namensliste steht, sollten Sie einen Grafiker beauftragen, erste Visualisierungsideen auszuarbeiten. Ein Wort besteht nämlich auch aus Typographie und die unterstützt die Wiedererkennung. Damit haben Sie aber noch keinen Brand und noch kein Corporate Design. Sie können sich einfach schon mal eine Vorstellung vom visuellen Potenzial des Namens machen.
- Wenn die Entscheidung gefallen ist, lohnt es
sich, einen auf Markenrecht spezialisierten Juristen zu konsultieren. Juristische Auseinandersetzungen nach der Einführung des Marken- oder Firmennamens sind allemal kostspieliger. - Wenn Sie es bis hierher geschafft haben, dann haben Sie die Nadel im Heuhaufen gefunden.
Herzliche Gratulation. Nun können Sie das Marken- oder Firmendesign in allen Varianten ausarbeiten lassen.
Damit Sie wenigstens jetzt nicht lange suchen müssen: hier geht’s direkt zum Song mit den fantastischen Abkürzungen.
Ich hoffe sehr, meine Ausführungen motivieren Sie, bei der nächsten Gelegenheit einen klingenden Firmen- oder Markennamen mit mehr als drei aneinandergereihten Buchstaben zu suchen.
Fredy Obrecht