Achtung lustig!
In einer Studie wurde 100’000 Frauen aus über 50 Ländern eine Liste mit 23 männlichen Eigenschaften vorgelegt. Die Frauen sollten diese Eigenschaften nach der Relevanz bei der Partnerwahl bewerten. Mehr als die Hälfte nannte «Humor» als wichtigste Eigenschaft ihres (potenziellen) Partners. Gute Laune ist ansteckend und Humor kann sogar heilen. Längst hat sich auch die Wissenschaft mit dem Phänomen Humor beschäftigt. Man weiss, dass Humor Schmerzen lindert und die Stresshormone Adrenalin und Kortisol senkt. Offenbar sitzt die Humorwahrnehmung in unserem Gehirn im linken frontalen Kortex. Erkenntnisse, die mir als Werber nicht wirklich weiterhelfen.
Spannender finde ich die Zusammenhänge von Werbewirkung und Humor. Unbestritten ist, dass mit Humor höhere Aufmerksamkeit und Sympathie erzeugt werden können. So dürfte man eigentlich davon ausgehen, dass immer mehr humorvolle Werbung kreiert wird. Die Studie in einer deutschen Zeitschrift zeigt jedoch einen gegenteiligen Trend. Viele Unternehmen möchten wohl eher mit sachlicher, seriöser Information wahrgenommen werden.
Nach herkömmlicher Meinung ist Humor für Unternehmen wie Banken, Versicherungen, teure Gebrauchs- und Investitionsgüter tabu. Die Kampagne der «Mobiliar» mit den Schadenskizzen zeigt aber, dass es trotzdem funktionieren kann.
Ein anderes Beispiel: Wir hatten den Auftrag, für die Zielgruppe junge Spitalärztinnen und -ärzte ein Mailing mit Versicherungsangeboten zu konzipieren. Die Antwortkarte kombinierten wir mit einem Wettbewerb, der aus mehreren Fragen bestand, die in etwa so lauteten: «Was ist der «Numerus clausus»? A – Ansammlung mehrerer Samichläuse? B – Claudias Telefonnummer? C – …» und so weiter. Trotz Bedenken des Kunden, ob dieser Kommunikationsstil für Versicherungen und die als äusserst ernst- und gewissenhaft bekannte Zielgruppe geeignet sei, liess man uns gewähren. Der Rücklauf der Antwortkarten war phänomenal und zahlreiche Ärztinnen und Ärzte hatten sich sogar die Mühe gemacht, die Karte mit eigenen kreativen Nonsens-Antworten zu ergänzen. Trotz dieser lockeren Stimmung wurden gleichzeitig Offerten zu den (seriösen) Versicherungsprodukten angefordert. Aus früheren Untersuchungen weiss man, dass Humor zwar die Erinnerung an die Werbung ver-bessert, aber nicht unbedingt an das Produkt und seine Eigenschaften. Das heisst, man kennt zwar den Witz, weiss aber nicht mehr, wer der Absender ist. Ausserdem ist Humor eine Gratwanderung zwischen Geschmack und Geschmacklosigkeit, denn Werbewirkung erzeugt man nicht allein mit dem Kriterium Aufmerksamkeit. Mein Horror-Beispiel ist «Margrit», ein als Frau verkleideter Komödiant, der uns auf tuntenhafte Art Maggi-Produkte schmackhaft machen will. In meinen Augen so peinlich, dass mir der Appetit vergeht und für mich die Grenze zur Geschmacklosigkeit überschritten wird.
Trotzdem kann man sagen, was guter Humor beinhalten sollte: eine Überraschung, eine unerwartete Wendung und eine Logik, die man erst auf den zweiten Blick durchschaut. Diese Erkenntnis offenbart einen weiteren Haken bei lustiger Werbung. Der Überraschungseffekt funktioniert nur beim ersten Mal. Bekommt man einen Witz immer und immer wieder erzählt, schlagen Sympathie und Aufmerksamkeit ins Gegenteil um. Für repetitive Kampagnen mit immer der gleichen Geschichte sind humorvolle Ansätze deshalb weniger geeignet.
Wer auf YouTube nach «funny commercials» sucht, bekommt fast 40’000 Treffer. Die Spitzenreiter sind über 20 Millionen Mal aufgerufen worden. Millionen Leute suchen und schauen Werbung und posten sie auf Facebook an ihre Freunde – freiwillig! Humor ist also eine wichtige Triebfeder für virales Marketing. Weil die Ansprüche dieses abgehärteten Publikums an den Gag entsprechend hoch sind, werden mittlerweile eigens für diesen Kanal Spots mit deutlich stärkerem Impact produziert. Die grösste Gefahr bei der Konzipierung lustiger Werbung sehe ich in der Versuchung, den guten Witz vor das Produkt zu stellen. Dem Grundsatz, dass immer das Produkt resp. die Werbebotschaft der Star des Auftrittes sein muss, ist bei humorvoller Werbung besondere Beachtung zu schenken.
Und weil es ja ein Witz wäre, einen Text über Humor zu schreiben, ohne einen Witz zu erzählen, präsentiere ich den folgenden Werbewitz, den ich übrigens von niemand Geringerem als Polo Hofer gehört habe: Ein Mann kommt am Ende seines irdischen Daseins in den Himmel. Petrus begrüsst ihn freundlich und weist ihn an, auf einer Wolke Platz zu nehmen und Harfe zu spielen. Tag für Tag sitzt er nun auf der gleichen Wolke und sorgt für sphärische Klänge. Nach einiger Zeit kommt Langeweile auf und der Neu-Engel wagt einen Blick nach unten in die Hölle. Er staunt nicht schlecht, dort gibt’s Barbecue, der Alkohol fliesst in Strömen, Männer und Frauen geben sich hemmungslos der Lust hin und anstelle der himmlischen Harfenklänge ertönt lauter Rock n‘ Roll.
Der Mann wendet sich an Petrus und fragt, ob es möglich sei, nachträglich noch in die Hölle zu wechseln. Petrus bejaht diese Anfrage, macht aber gleichzeitig darauf aufmerksam, dass es kein Zurück mehr gibt. Vor die Wahl gestellt, entweder ewige Harfenklänge oder Party ohne Ende, entschliesst sich der Mann für die Hölle. Unten angekommen schickt ihn Luzifer schnurstracks in den Heizungskeller zum Kohle schaufeln. Empört macht der Neuankömmling darauf aufmerksam, dass er eher Sex, Drugs und Rock n‘ Roll erwartet habe. Des Teufels Antwort: «Sorry, aber das ist nur unsere Werbeabteilung.»
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Fredy Obrecht