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Die automatisierte Dienstleistungsbereitschaft

 

Wer heutzutage Unterstützung benötigt bei einem administrativen Problem, wegen einer falschen Rechnung, einer fehlenden Gutschrift oder eines nicht eingetroffenen oder beschädigt angelieferten Produkts, der findet ein Support-, Kundendienst- oder Help-Kontaktformular auf der Website der betreffenden Firmen. Wer unter den Kontaktinformationen sogar eine Telefonnummer findet, kann sich glücklich schätzen. Auch wenn es meist 0800-Nummern sind, so verbreitet eine Telefonnummer doch die Hoffnung, dass sich am anderen Ende der Leitung ein echter Mensch bereit erklärt, zuzuhören, das Problem zu verstehen und die nötigen Schritte zur Beseitigung desselben einzuleiten.


Wir sind gleich für Sie da

Leider müssen viele Konsumentinnen und Konsumenten diese Hoffnungen sozusagen täglich etwas tiefer begraben. Die meisten Support-Telefonnummern sind virtuose Weiterleiter-Meister (im Fachjargon: Delegationsspezialisten). Dagegen gibt es nichts einzuwenden, solange der geneigten Kundin am Ende auch geholfen wird. Leider ist es in (zu) vielen Fällen aber so, dass die Geduld der Anrufenden auf eine harte Probe gestellt wird. Denn haben sie sich erst einmal über die Zahlentastatur ihres Telefons bis zum zuständigen Support-Team durchgetippt, kommt die zweite Stufe der Geduldsprobe in Form einer mehrminütigen Wartezeit dazu. Bis man dann endlich in den heiligen Support-Gral vorstossen kann, muss man wenig unterhaltsame, sich alle paar Minuten wiederholende Ansagen über sich ergehen lassen. Die Anrufenden werden auf wenige Augenblicke Wartezeit vertröstet. Das einzig Zuverlässige dabei ist, dass sich diese Botschaft in Form einer Endlosschlaufe alle paar Minuten wiederholt. Wer ein wirklich wichtiges Anliegen hat, der hält durch und bleibt dran. Und mit jeder Minute, die vergeht, ist das Dranbleiben wichtiger, denn Auflegen und neu anrufen bedeutet, sich wieder ganz hinten anzustellen. Aber Geduld alleine genügt nicht, es braucht auch noch Glück. Das Glück nämlich, ganz vorne in der Schlange zu sein, und dann auch wirklich einen frei gewordenen Supporter an die Strippe zu bekommen. Gelingt das innert einer bestimmten Frist nicht, dann wird der Anrufende mit der knappen Vorwarnung einfach aus der Leitung geworfen. Bitte rufen Sie später an, unsere Leitungen sind zurzeit überlastet.

Mein Tipp: Schonen Sie Ihren Nacken. Legen Sie das Telefon ab und schalten Sie auf Lautsprecher. So können Sie zumindest die Wartezeit mit der Endlos-Ansage-Schlaufe mit beidhändigem Arbeiten überbrücken.


Wenn diese Antwort Ihr Problem nicht löst, wählen Sie bitte die 2

Neuerdings wird dieses unüberblickbar verschachtelte Weiterleitungssystem noch ergänzt mit automatisierten Botschaften, die sich in Problemlösung versuchen. Gesprochene FAQs sozusagen.

Mein Tipp: Wenn Sie an solch automatisierte Botschafter geraten, die Fragen stellen und Sie so durchs System leiten wollen, legen Sie auf. Helfen können nur echte Menschen. Schreiben Sie eine Mail oder notfalls einen eingeschriebenen Brief. Das ist schlussendlich viel effizienter und schont die Nerven.


Das Textfeld ist auf 500 Zeichen begrenzt

Zum Glück gibt es noch Formulare. Die findet man auf den Websites vieler Unternehmen. Das könnte klappen. Schriftlich ist es manchmal sogar einfacher und sicherer. Nachdem Sie es endlich geschafft haben, aus den zehn vorgegebenen Themenbereichen einen auszuwählen, der – mit viel Fantasie – Ihrem Anliegen entspricht, scheitern Sie beim Beschrieb Ihres Problems an der begrenzten Zeichenzahl des vordefinierten Textfeldes.

Mein Tipp: Vermerken Sie Ihre Telefonnummer oder Mail-Adresse und bitten Sie kurz und knapp um einen Rückruf. Eine Auftrags- oder Rechnungsnummer anzugeben, kann ebenfalls nützlich sein.


Wo ist denn die E-Mail-Adresse geblieben?

Es gibt Unternehmen, die entfernen sämtliche Mail-Adressen von Ihrer Website oder sie verstecken sie so gut, dass niemand sie finden kann. Das Ziel ist natürlich, das die Kundinnen und Kunden ihr Anliegen über ein Formular oder eine 0800er-Nummer melden. So ist alles automatisiert und strukturiert, die Kanäle sind begrenzt und die Anliegen ergiessen sich nicht platzregenartig in die Supportabteilung. Es gibt keine Überraschungen – zumindest nicht für die Firmen.

Mein Tipp: Schauen Sie mal nach unter «Über uns», unter «Mediarelations» oder im Impressum. Dort ist meistens ein Mail-Kontakt angegeben, den Sie zumindest bitten können, dass jemand von der Support-Abteilung Sie kontaktiert. Klappt das nicht, wenden Sie einen der anderen Tipps weiter oben an.


Wer auf Distanz verkauft, sollte im Support nahe beim Kunden bleiben

Online-Handel hält die Kundschaft bereits freundlich auf Distanz. Auch wenn die Firmen wissen, was ihre Kundinnen und Kunden wünschen, ein gutes Sortiment anbieten und zuverlässig liefern, kann ein nicht gelöstes Support-Problem den guten Ruf nach nur einem erfolglosen 0800-Telefonat dennoch ins Gegenteil drehen.

Mein Tipp für «Wählen-Sie-die-1»-Unternehmen: Unterschätzen Sie die Intelligenz Ihrer hilfesuchenden Kundschaft nicht. Sie haben in der Regel alles ausprobiert, bevor sie Ihre 0800er-Nummer gewählt haben. Darum möchten sie während der nervenzehrenden Warteschlaufe in der automatisierten Wir-sind-gleich-für-Sie-da-Wiederholbotschaft keinesfalls hören, dass sie auch ganz einfach auf der Website die FAQs einsehen oder eine Supportanfrage abschicken können. Glauben Sie mir, das alles haben die Anrufenden schon versucht!


Frage:
Wie viel Unterstützung und Kundendienst sind automatisiert möglich?

Antwort: Wenig, denn Probleme werden nicht von Maschinen gelöst, und oft «verstehen» diese Maschinen die Fragen nicht. Das hat übrigens nichts mit Intelligenz zu tun, sondern schlicht und einfach mit Einfühlungsvermögen und Dienstleistungsbereitschaft. Zwei Eigenschaften, die nur Menschen zur Verfügung stellen können.

 

Yvonne Obrecht