Werbemüll
Wir Werber sind die Umweltverschmutzer par excellence. Wir produzieren heute das Altpapier von morgen und verstopfen jeden Briefkasten. Weil wir auch Packungsdesign machen, sind wir für den Inhalt des Kehrichtsackes gleich mitverantwortlich und halten so die Kehrichtverbrennungsanlagen am Glühen. Um Energie und andere Ressourcen zu schonen, wäre es eigentlich logisch, die Werbung möglichst zu verbieten.
Dazu eine Anekdote: Ein Freund von mir ist Facharzt für Psychiatrie mit eigener Praxis. Zu meiner Branche hat er ein eher angespanntes Verhältnis. Er hat dies bei unseren Treffen auch immer wieder betont (zugegeben, ich habe auch über sein Fachgebiet Witze gemacht). Eines Tages wollte er zusammen mit Kollegen ein Symposium organisieren. Als er mich um Rat fragte, erinnerte ich ihn an seine fundamentalen kulturellen und ökologischen Bedenken gegenüber meiner Branche. Er entgegnete, dass sein Symposium natürlich ganz etwas anderes sei. Fazit: Der Zweck heiligt die Mittel.
Werbung nervt dort, wo sie nicht bei der Zielgruppe ankommt. Zum Beispiel Rasenmäher für Bewohner eines Mietshauses, Brillen für Normalsichtige, Tampons für Männer oder Babynahrung für Junggesellen. Werbung ist aber auch der Ausdruck einer liberalen Wirtschaftsordnung mit einem Preis- und Leistungswettbewerb. Jeder Anbieter darf über seine Marktleistung informieren und auf die Vorzüge seines Produktes hinweisen. Es liegt in der Natur der Sache, dass diese Produktinformation subjektiv-werberisch und nicht objektiv-sachlich erfolgt. Solange Werbung als solche erkannt wird, ist das kaum zu beanstanden.
Dennoch: Wir Werber stehen bezüglich Umweltverantwortung ganz besonders in der Pflicht. Wenn wir unseren Kunden empfehlen, in eine Broschüre noch ein Kunststoff- oder Metall-Teil einzukleben, so bedeutet das bei Werbemitteln in grossen Auflagen, dass sofort Tonnen von Material in Umlauf gebracht werden.
Landen diese Werbemittel dann im Altpapier, müssen sie im Recyclingprozess mühsam wieder herausgefischt werden. Wenn sich Werbeagentur und Werbeauftraggeber umweltverantwortlich verhalten, so ist das in der Bilanz effektiver, als im Haushalt jeden kleinsten Fetzen Alufolie zu sammeln. Aber auch beim Umweltschutz lohnt es sich hin und wieder genauer hinzuschauen. Was glauben Sie, welche Einkaufstasche hat eine bessere Ökobilanz, Papier oder Kunststoff? Kunststoff ist besser, weil diese Tasche öfter verwendet werden kann als eine Papiertasche.
Und ich gebe es zu, ich liebe die grossen, stabilen Taschen von Ikea. Sie eignen sich nicht nur hervorragend zum Transportieren von Brennholz, auch die alten Plüschtiere der Kinder lassen sich damit problemlos im Keller verstauen.
Publix hat Glück mit vorbildlichen Auftraggebern. Der eine Kunde bevorzugt Druckereien, die CO2-neutrale Druckerzeugnisse anbieten können. Ein anderer investiert Zeit und Geld in eine Stiftung zur Erhaltung von Mobilität und Komfort mit erneuerbarer Energie. Wenn umweltverantwortliches Handeln zum Wettbewerbsvorteil wird, dann sind wir auf dem richtigen Weg.
Fredy Obrecht