Krieg der Medien

Hund mit Zeitung, Hund mit Tablet

Krieg der Medien

Ob ein Medium erfolgreich ist, entscheidet sich an zwei Fronten: bei den Lesern und Zuschauern sowie in der Werbung. Beide Faktoren sind untrennbar miteinander verbunden. Viel Werbung bringt entsprechend Einnahmen und ermöglicht guten, professionellen Journalismus. Gute Artikel oder Sendungen bringen mehr Leser und Zuschauer. Mehr Leser und Zuschauer bringen mehr Werbung. Leider dreht sich diese Spirale zurzeit eher in die andere Richtung. Die meisten Printmedien verlieren seit einigen Jahren massiv an Leserschaft. In ihrer Not schliessen sie sich mit Konkurrenten zusammen oder die grossen Verlage schlucken die kleinen. Daraus resultieren immer mehr Kopfblätter und Redaktionspools, die zwar die Namen der Regional- und Lokalzeitungen bewahren, aber keine echte Medien- und Meinungsvielfalt bieten. Die Vielfalt in den klassischen Massenmedien ist damit akut gefährdet.

Was heisst das nun für die Werbewirtschaft? Haben die Werbeauftraggeber und Werbeagenturen eine ethische Verantwortung zur Erhaltung der Medienvielfalt oder ist der Tausender-Kontaktpreis die massgebliche Messlatte beim Buchen von Werbung? Ich hoffe, Sie erwarten von mir kein flammendes Plädoyer für den Einkauf von Werberaum nach medienpolitischen Kriterien. Wir sind Werber, keine Verleger und keine Journalisten. Wir machen die Massenmedien nicht, wir nutzen sie. Wenn Werber auf das redaktionelle Konzept eines Mediums direkt Einfluss nehmen würden, wäre das so, wie wenn wir im Restaurant in die Küche marschieren, um dem Koch zu zeigen, wie er kochen soll.

Böses Internet

Die Verleger machen in erster Linie das Internet als Substitutionsmedium für ihre schwindenden Leserzahlen verantwortlich. Das ist zwar einleuchtend, aber nicht mal die halbe Wahrheit. In erster Linie kauft man bei einer Zeitung nämlich nicht das Papier, auf das sie gedruckt wird, sondern die journalistische Leistung. Dass sich das WWW als neuer Informationskanal durchsetzen wird, war seit langem absehbar. Verleger, die sich nun überrascht geben, müssen sich den Vorwurf gefallen lassen, eine bedeutende Entwicklung in ihrem Markt verschlafen zu haben. Jahrelang haben sie die Einstellung der «digital natives» unterstützt, dass im Internet alles gratis ist. Die Wende zur kostenpflichtigen Information wird kaum innert nützlicher Frist gelingen. Die neue Medienlandschaft aber birgt noch dramatischere Veränderungen: War früher das Internet nur mit einem stationären Computer zugänglich, erfolgen heute bereits mehr als die Hälfte der Internetabfragen von mobilen Geräten wie Smartphones oder Tablets.

Erfolg möglich

Wenn die Weltwoche schreibt, dass der Reaktorunfall in Fukushima nur halb so wild sei, sträuben sich mir als Leser nicht nur die Nackenhaare. Aus Protest Inserate zu sistieren und das Abonnement zu künden, wäre allerdings kurzsichtig und unprofessionell. Wie der Weltwoche-Chef Roger Köppel in einem Interview richtig sagte: «Wir müssen nicht das schreiben, was alle anderen bereits geschrieben haben.» Der Verleger als Unternehmer entscheidet über das redaktionelle Konzept, mit dem er seine Abonnemente verkaufen will.

Es gibt noch weitere interessante Beispiele für erfolgreiche Konzepte. Wenn mir vor 20 Jahren jemand gesagt hätte, der «Blick» werde um seine Existenz kämpfen und das, weil eine Gratiszeitung das seit Jahrzehnten führende Boulevard-Medium vom Thron stürzt, ich hätte ihn ausgelacht. Doch «20 Minuten» hat genau das geschafft, ohne Abonnemente verkaufen zu müssen, einfach nur mit den Werbeeinnahmen. Die Grundlagen des Erfolges liegen in der gut organisierten Distribution mit Regionalausgaben sowie im redaktionellen Konzept, das sich irgendwo zwischen Boulevard und lesefreundlich aufbereiteten Kurznachrichten einreiht. Damit hat «20 Minuten» auch die als Zeitungsleser verloren geglaubte junge Generation zurückerobert. Chapeau!

Protektionismus bremst

Auch das nationale Fernseh- und Radiounternehmen SRG weiss, dass Mac, PC und Smartphone vermehrt den Fernseher im Wohnzimmer ersetzen. Immer mehr Zuschauer machen sich ihr eigenes Programm. Sie schauen unabhängig von den Sendezeiten Fernsehen und suchen nach den Inhalten, die im Moment interessieren. Auch technisch verschmelzen das Fernsehgerät und der Computer zusehends. Ein Fernsehdirektor, der seinen Job macht, kann gar nicht anders, als das Medium Internet in seine Zukunftsstrategie mit einzubeziehen. Doch nun kommt die Politik und setzt Schranken. Das Schweizer Fernsehen darf im Internet lediglich Texte bis maximal 1000 Zeichen ohne Sendungsbezug publizieren. Fremdwerbung darf das SRF im Internet sowieso keine platzieren. Das heisst, das Medienunternehmen SRG muss per Gesetz einen schlechteren Job machen, damit die geplagten Printmedien nicht noch mehr unter Druck kommen. Mir kommt das so vor, als würde man gesetzlich das Telefonieren auf 60 Sekunden pro Anruf beschränken, damit die Briefpost nicht noch mehr Kunden verliert.

Die Geschichte zeigt, dass man fundamentale Veränderungen auf die Dauer nicht aufhalten kann. Natürlich ist es schmerzhaft, wenn das traditionelle Lokalblatt verschwindet. Aber wenn sich ein Markt verändert, sollte das in einer liberalen Wirtschaft akzeptiert werden. Lehnt man diese Veränderungen ab, verhindert man gleichzeitig auch Innovationen.

 

Fredy Obrecht

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